Dekoration zum Erntedankfest: Holzkiste mit Feldfrüchten
Wie und warum wird das Erntedankfest gefeiert?
Im Christentum ist das Erntedankfest eine traditionelle Feier, die nach der Ernte im Herbst am ersten Sonntag im Oktober stattfindet. Dieses Fest zelebrieren Gläubige, um Gott für die durch die Ernte erhaltenen Gaben zu danken.
Entstehung des Erntedankfestes
Vermutlich entstammt die Idee des Erntedankfestes bereits aus vorchristlicher Zeit, da die mit ihm verbundenen Riten bereits im Römischen Reich und in Israel erwähnt wurden. Das in unseren Breiten bekannte Erntedankfest geht vermutlich auf das römische Brauchtum zurück und wird seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. zelebriert. Da die Ernte – bedingt durch unterschiedliche Klimazonen – zu verschiedenen Zeitpunkten vollzogen wird, gibt es keinen einheitlich festgelegten Termin.
Bräuche zum Erntedankfest in Deutschland
Im Rahmen des Erntedankfestes finden Gottesdienste statt, bei denen Erntekronen und mit Früchten gefüllte Körbe den Altarraum schmücken. Die Erntekronen werden mit geflochtenen Ähren gebunden und mit Feldfrüchten dekoriert. Einige Gemeinden zelebrieren die Feierlichkeit zudem mit Tänzen und Festessen.
In ländlichen Regionen ist es üblich, Strohpuppen auf Feldern zu verbrennen oder Jahrmärkte zu veranstalten. Zahlreiche Gemeinden Deutschlands initiieren außerdem von Mitte September bis Anfang Oktober Festzüge mit Fußgruppen und Motivwagen, die an historische Erntesituationen erinnern und einem Karnevalsumzug ähneln.
Erntedankfest in Japan: Tag des Dankes für die Arbeit
In der Vergangenheit wurde in Japan das kaiserliche Erntedankfest namens „Kosten des neuen Reises“ gefeiert. Dieses shintōistische Ritual verfolgte den Zweck, dass der Kaiser den Göttern frisch geernteten Reis opferte. Der Ursprung dieser Feierlichkeiten wird im 7. oder 8. Jahrhundert n. Chr. vermutet. Heute wird das Fest in Japan am 23. November in Form des „Tag des Dankes für die Arbeit“ als gesetzlicher Feiertag begangen.
Erntedankfest in Nordamerika: Thanksgiving
Jeden vierten Donnerstag im November wird das Erntedankfest in den USA als Thanksgiving Day gefeiert. In Anlehnung an das Erntedankfest der Pilgerväter wird im Kreis der Familie ein Truthahn verspeist. Im Unterschied zum deutschen Erntedankfest danken die US-Amerikaner für jeden Erfolg und für alles Gute, das ihnen widerfahren ist – nicht nur auf die Ernte bezogen. Die Bedeutung des Feiertages hat in den USA einen wichtigen sozialen und familiären Hintergrund, sodass ihn auch zahlreiche Atheisten begehen.
An jedem zweiten Montag im Oktober feiern schließlich die Kanadier Thanksgiving. Mit Ausnahme weniger Territorien gilt das kanadische Thanksgiving als staatlicher Feiertag, der in christlichen Kirchen als liturgisches Fest begangen wird. Auch wenn das kanadische Thanksgiving kein Erntedankfest im klassischen Sinn ist, ist diese Feierlichkeit dem deutschen Erntedankfest wesentlich ähnlicher als der Thanksgiving Day in den USA.
Bräuche zum Erntedankfest in anderen Ländern
In Österreich veranstalten einige Gemeinden so genannte Erntedank-Wallfahrten. Eine der bekanntesten Wallfahrten findet am Samstag vor Erntedank von Reit im Winkl nach Maria Kirchental statt. In Nassereith wird das Fest mit besonders farbenfrohen Prozessionen zelebriert.
In Schottland wird die Ernte-Suppe Hotch-Potch serviert. Dieser Mischung aus Gartengemüse und frischem Fleisch wird eine heilende Wirkung nachgesagt. In anderen Ländern werden Erntepuppen aus verbleibenden Strohgarben hergestellt. Diese verbleiben entweder als Opfergabe auf dem Feld oder werden mit zu den Festlichkeiten genommen.
In Asien wird das Erntedankfest meist zusammen mit einem Mondfest zelebriert. So feiern China, Taiwan und Vietnam am „15. Tag nach dem 8. Monat“ nach dem Mondkalender ein Mondfest um die Ahnen zu ehren und sich für für die Ernte zu bedanken.
Erntedankfest in den Weltreligionen
Evangelische Gemeinden begehen das Erntedankfest am Sonntag nach dem 29. September, dem so genannten Michaelistag. Katholische Gemeinden feiern das Fest am ersten Sonntag des Oktobers. Allerdings ist die Feierlichkeit kein öffentlicher Bestandteil eines Kirchenjahres. Dementsprechend steht keine Gemeinde in der Pflicht, diese Feierlichkeit zu zelebrieren.
Im Judentum feiert man gleich zweimal im Jahr Erntedank: Einmal im Frühjahr (Mai/Juni) mit dem „Schawuot“ und einmal im Herbst mit dem „Sukkot“, dem Laubhüttenfest, welches sich über sieben Tage erstreckt.
Auch wenn es im Islam kein klassisches Erntedankfest gibt, so ähnelt das Fest des Fastenbrechens im Anschluss an Ramadan stark diesen Feierlichkeiten. Nachdem einen Monat lang gefastet wurde, wird nun mit einem Festmahl das Ende der Fastenzeit zelebriert.
Im Hinduismus gibt es ebenfalls ein Erntedankfest, welches jedoch in den verschiedenen Teilen Indiens zu einem anderen Zeitpunkt und unter einem anderen Namen begangen wird. In weiten Teilen Indiens wird Makar Sankranti Mitte Januar begangen, indem die Menschen Drachen steigen lassen. Im Süden Indiens wird das Erntedankfest sogar drei Tage lang gefeiert – als Pongal.
Wissenswertes zum Erntedankfest
- Bis zum Zweiten Weltkrieg läuteten zum Erntedank die Kirchenglocken in zahlreichen Ortschaften eine Stunde früher und kündigten so den Wechsel von der Sommer- zur Winterzeit an.
- Für die Weihe in der Kirche werden häufig Fladen, Hefezöpfe oder Brote verwendet.
- Die Erlöse aus Erntedank-Umzügen gehen im Regelfall an Institutionen, die sich für Hungersnöte einsetzen.
- Ein deutschlandweit verbreitetes Lied zum Erntedank ist die Komposition „Wir pflügen und wir streuen“ von Matthias Claudius.